Berlin (dts Nachrichtenagentur) – Nach der Niederlage von Merkels Favoriten für den Unionsfraktionsvorsitz übertrumpfen sich die politischen Kommentatoren mit Abgesängen auf die Kanzlerin. „Abschied von der Macht“ titelte Spiegel-Online am Dienstagabend, „Diese Niederlage ist für die Kanzlerin brandgefährlich“ schreibt der Focus, „Ihre Macht zerfließt“ das Online-Portal der „taz“. Der Außenseiterkandidat Ralph Brinkhaus hatte sich am Nachmittag in der Unionsfraktion in einer geheimen Wahl überraschend gegen Volker Kauder durchgesetzt, der als enger Vertrauter Merkels gilt und den Fraktionsvorsitz 13 Jahre innehatte.
Machtbasis verloren?
„Die Abgeordneten machen klar, dass sie nicht länger nur artig Staffage in einer Problem-Koalition sein wollen“, schreibt die „Stuttgarter Zeitung“, „nun hat Merkel auch ihre Machtbasis in der Unionsfraktion verloren“, kommentiert die die „Rheinische Post“ in ihrer Mittwochsausgabe. Die Kanzlerin wollte sich unterdessen nach der dramatischen Fraktionssitzung nichts anmerken lassen: „Das ist eine Stunde der Demokratie. In der gibt es auch Niederlagen, und da gibt es auch nichts zu beschönigen“, sagte Merkel.
Merkel sitzt in der Patsche
Der Politologe Ulrich von Alemann hält es nach der Wahl von Ralph Brinkhaus zum neuen Unionsfraktionschef für denkbar, dass die Kanzlerin die Vertrauensfrage stellen wird. „Das ist eine Klatsche für Volker Kauder und damit auch für die Kanzlerin, und sie sitzt nun in der Patsche. Das ist eine absolute Sensation, und natürlich wird nicht Kauder gemeint, sondern Angela Merkel“, sagte Von Alemann der „Heilbronner Stimme“ (Mittwochsausgabe).
Rückzug vom Amt?
Der Politologe erklärte weiter: „Eine mögliche Option ist nun: Die Kanzlerin zieht sich von ihrem Amt zurück. Es geht sowieso jeder davon aus, dass dies ihre letzte Amtsperiode ist. Jetzt kann sie bestimmen, wann Schluss ist.“ Denkbar sei auch eine andere Konsequenz. Merkel habe sicher „große Nehmerqualitäten, aber möglicherweise zieht sie auch die Option, und stellt wie andere Kanzler – beispielsweise Schröder – die Vertrauensfrage.“ Merkel sei vom Parlament gewählt und vom Vertrauen ihrer Partei abhängige Kanzlerin, so Von Alemann „Wie wir jetzt sehen, ist zumindest in der Fraktion das Vertrauensverhältnis erheblich gestört. Ich würde sogar sagen: Die Fraktion hat nicht nur ihrem Vertrauten das Vertrauen entzogen, sondern auch ihr selbst.“
Keine kleine Niederlage, sondern ein Tsunami
Kauder habe die Union über lange Jahre hinweg erfolgreich gemanagt und hinter der Kanzlerin vereint, so von Alemann, er gelte als eher konservativer Politiker, habe aber an seiner Loyalität zu Angela Merkel kaum Zweifel aufkommen lassen. Daher sei diese Situation nun für Angela Merkel „keine kleine Niederlage, sondern ist ein Tsunami. Sie sitzt in einem Wirbelsturm, denn wenn ihr Mann, ihr ausdrücklicher Favorit, keine Mehrheit bekommt, ist auch ihre eigene Mehrheit in der Fraktion in Gefahr“. Von Alemann: „Bemerkenswert ist aus meiner Sicht, dass Kauder gescheitert ist, obwohl CSU-Parteichef Seehofer für ihn geworben haben will, und auch Landesgruppenchef Dobrindt nicht offen gegen Kauder Front gemacht hat. Damit ist klar: Es gab einen breiten Widerstand in der Fraktion.“
„Das ist ein dramatischer Vorgang“
Bundestagsvizepräsident Thomas Oppermann (SPD) bewertet den Sieg des neuen Unionsfraktionschefs Ralph Brinkhaus gegen Merkels langjährigen Vertrauten Volker Kauder als Zeitenwende in der Union. „Das ist ein dramatischer Vorgang“, sagte Oppermann den Zeitungen der Funke-Mediengruppe (Mittwochsausgaben). Der Machtwechsel an der Spitze der CDU/CSU-Bundestagsfraktion gegen den ausdrücklichen Willen der CDU-Vorsitzenden Angela Merkel werfe ein Schlaglicht auf die Lage der Regierungschefin: „Wie es jetzt für die Kanzlerin weitergeht, ist offen.“
Der frühere SPD-Fraktionsvorsitzende Oppermann dankte Kauder für die Zusammenarbeit: „Volker Kauder war für mich immer ein loyaler Partner.“
Ich gehe davon aus, dass Frau Merkel die Vertrauensfrage stellt und dann abgewählt wird. Das würde zumindest zu allen Entscheidungen der CDU/CSU der letzten 6-10 Monate passen und leider sind diese Entscheidungen dieser Parteien im Moment so unglaublich weit weg von dem, was das Volk tatsächlich möchte.
Merkel hat mich persönlich durch ihre Flüchtlings-Entscheidungen und auch ihre Alleingänge immer wieder positiv überrascht. Tatsächlich war sie manches Mal sozialdemokratischer als Frau Nahles. Und das passt einigen CDU/CSU’lern nicht.
International hat Frau Merkel ein unglaubliches Ansehen. Das hat kein anderer deutscher Politiker. Leider.