Warum die Ukraine die Schlacht um Debalzewe gewonnen hat, den Lohn des Sieges aber nicht einfahren kann und die Soldaten auf beiden Seiten die Verlierer sind.
Eine Kolumne von Sebastian Fiebiger
Dass Debalzewe nicht dauerhaft zu halten ist, war auch der ukrainischen Führung klar. Die strategisch wichtigen Anhöhen und Zufahrtsstraßen um die Kleinstadt waren schon seit längerem russisch besetzt. Was die mit hohen Verlusten geführte Schlacht um Debalzewe motivierte, war politisches Kalkül.
Die Russen hatten in Minsk auf ein Frist von drei Tagen bis zur Umsetzung des Waffenstillstandes gedrängt. Man glaubte damals offenbar, Debalzewe mit einer massiven Offensive innerhalb dieser Zeit einnehmen zu können. Der harte ukrainische Widerstand kam unerwartet. Russland musste die Minsker Vereinbarung verletzen, um die Frontlinie zu begradigen.
Kanonenfutter für politische Ziele
Und genau das war ukrainisches Kalkül. Eine Verletzung des Minsker Abkommens durch Russland könnte zu neuen Sanktionen und Waffenlieferungen an die Ukraine führen. Diese „Siegprämie“ wurde bislang allerdings nicht eingelöst.
Was bleibt sind hunderte Tote auf beiden Seiten. Angesichts des massiven Personaleinsatzes dürften die Verluste auf russischer Seite höher ausfallen. Dafür trifft die ukrainischen Truppen der Moralverlust aufgrund der verlorenen Schlacht und der Vertrauensverlust gegenüber der eigenen militärischen Führung. Wenn erkennbar wird, dass es von Anfang an kein realistisches Ziel war, die Stadt zu halten, setzt sich die Erkenntnis durch, verheizt worden zu sein.
Gefahr: Freiwilligenverbände
Und genau da droht eine neue Gefahr für das Land. Die ukrainischen Freiwilligenverbände stellen mittlerweile die zwar schlecht aufgerüstete, aber hoch motivierte Speerspitze der Streitkräfte. Die heterogenen Verbände hatten von Anfang an andere Ziele als die Regierung. Diese Ideologieschere könnte sich jetzt vergrößern und dazu führen, dass sich die Verbände von der Kiewer Führung lösen und auch nach und nach vom militärischen Oberkommando entkoppeln. Eine Entwicklung, die der Regierung spätestens dann auf die Füße fällt, wenn man wirklich auf dem Verhandlungsweg einen Waffenstillstand realisieren kann.
Prognose: Fortsetzung des Krieges
Wenn ich raten soll, wie der sich der Konflikt weiterentwickelt: Russland wird einen „legitimen“ Grund finden, weitere Gebietsgewinne zu machen. Man möchte die Karte von „Novorossia“ vervollständigen und dazu gehören mindestens noch Mariupol und eine Landverbindung zur Krim. Aber auch Charkiw und Dnipropetrowsk. Je nach Reaktion des Westens wird man die Westukraine sogar vollständig vom Schwarzen Meer abschneiden und einen Korridor bis nach Transnistrien schaffen.
Die aktuelle russische Strategie funktioniert. Offen reguläre Truppen wird man nur dann einsetzen, wenn die Front ins Stocken gerät. Das scheint ohne westliche Unterstützung der Ukraine aber unwahrscheinlich.
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